JURTECH:JURSTUDY

JURTECH:JURSTUDY

26.02.2022 in Jura & Lehre

Impressionen vom Fachkongress Digitalisierung (in) der Juristenausbildung

„Zukunft ist eine Frage der Perspektive.“ 

Mit diesem Statement eröffnet Zukunftsforscher Kai Gondlach seine Keynote auf dem Fachkongress „Digitalisierung (in) der Juristenausbildung“, zu der das Ministerium der Justiz Nordrhein-Westfalen am 23.02.2022 Vertreter:innen rund um die Aus- und Fortbildung in der Rechtswissenschaft aus ganz Deutschland in die Messehalle am Düsseldorfer Flughafen eingeladen hat. Die Veranstaltung wurde auf YouTube live gestreamt und ist unter folgendem Link als Aufzeichnung abrufbar. 

Videos & Thesenpapiere

Zu den nachfolgend skizzierten Themenschwerpunkten habe ich die jeweiligen Videoausschnitte herausgesucht und– soweit vorhanden – auch die zugehörigen Thesenpapiere referenziert.

Zu den Thesen kann man auch öffentlich seine Meinung äußern: https://beteiligung.nrw.de/portal/justiz/beteiligung/themen/1000660/information/1000971

Welche Welt erwartet Jurist:innen 2030?

Keynote-Sprecher Gondlach spannt einen weiten Bogen über die Entwicklungen, die Zukunftsforscher:innen für die Welt von morgen prognostizieren und verknüpft diese mit der Frage „Welche Welt erwartet Jurist:innen 2030?“ Da ist von Blockchain-Technologien als digitalem Ersatz klassischer Notarbeurkundungen die Rede, von KI-getriebenen neuen Möglichkeiten der Strafverfolgung und industrialisierten Geschäftsmodellen für die Anwaltschaft, wobei wir mit dem, was wir gegenwärtig bereits als „Legal Tech“ bezeichnen, erst ganz am Anfang disruptiver Veränderungsprozesse stünden.

Er machte auch konkrete Verbesserungsvorschläge für das juristische Studium.

Gondlachs „Juristische Lehre der Zukunft (1/2)“
Gondlachs „Juristische Lehre der Zukunft (2/2)“

„Juristische Arbeitswelt der Zukunft – Juristinnen und Juristen der Zukunft“

Im folgenden Kurzvortrag mit anschließender Podiumsdiskussion mit dem Titel „Juristische Arbeitswelt der Zukunft – Juristinnen und Juristen der Zukunft“ macht Rechtsanwalt Markus Hartung seine Position deutlich: Schon heute weise die juristische Ausbildung Defizite auf, als Kenntnisse in Betriebs- und Volkswirtschaft, aber auch Grundzüge der Kognitionswissenschaften nicht vermittelt würden. Das sei für die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Richter in der traditionellen Rechtspflege kaum noch vertretbar. In Unternehmen und Verbänden sei eine Tätigkeit als Jurist ohne solides wirtschaftliches Grundverständnis kaum möglich. Die wesentliche Herausforderung für Justiz und Rechtspolitik bestehe nicht nur darin, ihre eigenen Prozesse und Abläufe zu digitalisieren, sondern auch zu prüfen, wie Streit- und Konfliktlösung in der digitalen Zukunft stattfinde. Dazu gehöre auch eine auf sachlicher und informierter Grundlage geführte Diskussion über die Frage, wie weitgehend Softwaretechnologie in der Justiz eingesetzt werden solle.

Die Diskussionsrunde war sich – nicht zuletzt mit Blick in das europäische Ausland und nach Amerika – einig, dass sich zunehmend weitere Berufsbilder entwickeln würden, in denen juristische und technische Fähigkeiten und Kenntnisse gefordert seien, etwa Juristische Projekt- und Prozessmanager, Juristische Analysten, Juristische Designer und Juristische Ingenieure (Legal Engineers). Diese gewönnen zunehmend an Bedeutung. Die bloße Fähigkeit, Normen auf einen Sachverhalt anzuwenden, sei nur noch ein Teil der sich entwickelnden juristischen Beratungsprodukte. Jurastudium und Vorbereitungsdienst würden jedoch auf solche Tätigkeiten nicht vorbereiten. Ein Gegensteuern sei dringend erforderlich, wenn man nicht (weiter) auf einen dramatischen Fachkräftemangel zusteuern wolle: Mit Blick auf die schiere Menge dessen, was im Studium bewältigt werden müsse, sei die Vermittlung von Methodenkompetenz, hoher Sozialkompetenz und guten Kommunikationsfähigkeiten, außerdem hoher Wirtschaftskompetenz, von Fähigkeiten in Technologie und Datenanalyse sowie in Prozess- und Projektmanagement unerlässlich.

Thesen: https://beteiligung.nrw.de/portal/justiz/beteiligung/themen/1000660/1001270

Rechtsanwendung auf digitale Sachverhalte

Es folgen verschiedene Kurzvorträge zur „Rechtsanwendung auf digitale Sachverhalte“ mit einer weiteren Podiumsdiskussion zum Thema, wobei mir die Beiträge von Lina Krawietz, Managing Partnerin von „This is legal design“ besonders gefielen.

Thesen: https://beteiligung.nrw.de/portal/justiz/beteiligung/themen/1000660/1001259

Interview mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Landtags NRW

Nach der Mittagspause geht es weiter mit einem Interview mit Dr. Werner Pfeil MdL, Rechtsanwalt, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Landtages NRW. 

Digitale Lehre“ – Erarbeitung eines ‚optimalen Studienverlaufs‘

Im Themenblock „Digitale Lehre“ – Erarbeitung eines ‚optimalen Studienverlaufs‘“ werden in einer Mitmachrunde mit dem Publikum etwas Brainstorming betrieben und Ideen für das ideale Jurastudium gesammelt.

In der anschließenden Podiumsdiskussion geht es insbesondere um die von Prof. Dr. Julian Krüper, Uni Bochum, formulierten Thesen, von denen ich an dieser Stelle zwei besonders hervorheben möchte: 

  1. Digitalisierung juristischer Lehre biete den Anlass für und vereinfacht die (unterwickelte) Visualisierung von (komplexen) rechtlichen Strukturen, sozialen, politischen oder ökonomischen Kontexten von Normen. Es sei eine Aufgabe der juristischen Fachdidaktik, die Ressource der Rechtsvisualisierung sinnvoll mit den Möglichkeiten digitalisierter Lehr-/Lerngeschehen zu verbinden.
  2. Digitale Lehre verlange dort, wo sie synchron stattfinde, einen gesteigerten kommunikativen Aufwand auf Seiten der Hochschullehrenden, um eine Involvierung der Studierenden in das Lehrgeschehen zu erreichen. Bewusstsein für diesen gesteigerten Aufwand und die didaktische Kompetenz, ihn zu leisten, sei Voraussetzung gelingender digitaler Lehre.

Thesen: https://beteiligung.nrw.de/portal/justiz/beteiligung/themen/1000660/1001101

E-Examen bald auch in NRW

Mit einer Diskussion um die „Digitale Prüfung“ in der juristischen Ausbildung präsentiert Dr. Corinna Dylla-Krebs, Ministerium der Justiz NRW, mir durch ihre Tätigkeit als meine ehemaligeDirektorin an der Fachhochschule für Rechtspflege NRW, persönlich gut bekannt, ihre Vorstellungen und die Bestrebungen ihres Ministeriums zur zukünftigen Gestaltung der „E-Klausur“ im ersten und zweiten juristischen Staatsexamen. Eine entsprechende Änderung des Juristenausbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (JAG NRW) tritt am 17. Februar 2022 in Kraft. Demnach sind die Prüfungsämter an den Oberlandesgerichten in NRW ab dem 1. Januar 2024 verpflichtet, die Anfertigung der Aufsichtsarbeiten im ersten Staatsexamen in elektronischer Form zu ermöglichen. Dasselbe gilt für das Landesjustizprüfungsamt in Bezug auf das zweite Staatsexamen. Allen Prüflingen werde die elektronische Anfertigung jedoch freigestellt; es kann auch weiterhin von Hand geschrieben werden. In anderen Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Sachsen wurde das E-Examen bereits eingeführt, in Rheinland-Pfalz wird es derzeit pilotiert.

Thesen: https://beteiligung.nrw.de/portal/justiz/beteiligung/themen/1000660/1001276

Resümee

Mein persönliches Resümee: alles in allem eine interessante und thematisch breit angelegte Veranstaltung mit spannenden Diskussionsbeiträgen, die nicht nur Aus- und Fort­bil­dungs­ver­ant­wortliche in der Justiz auf YT nachschauen und -lesen sollten, sondern auch diejenigen, die sich für einen juristischen Beruf (der Zukunft) interessieren!

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