Justiz und KI
Wäre interdisziplinär so schwer?
Künstliche Intelligenz kann eine wichtige Rolle dabei spielen, menschliche Entscheidungen zu überprüfen, besonders im Kontext der Justiz. Das ist doch mal ein interessanter Ansatz, den ich da dieser Tage in einem kurzen Artikel von Sina Dörr auf LinkedIn* gelesen habe.
„Keiner will den Robo-Judge, aber wer immer nur den Goldstandard menschlicher Entscheidungsfindung betont, übersieht, wie fehleranfällig kognitive Prozesse bei Menschen sind.“
schreibt sie und betont in diesem Zusammenhang, dass es entscheidend sei, auch den Blickwinkel der kognitiven Psychologie und Neurowissenschaften einzubeziehen. Eine eingehende Untersuchung der Schwächen in der richterlichen Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse über den menschlichen Denkapparat sei dringend geboten. Sina Dörr führt zwei Beispiele für kognitive Verzerrungen und Rationalitätsschwächen an: das Strafzumessungsgefälle und Ankereffekte – beides in Studien belegt.
Dem stimme ich vollumfänglich zu: Während in der Justiz oft die Risiken bei der Anwendung algorithmischer Systeme im Fokus stehen und oft reflexartig im simplifizierenden Schwarz-Weiß Mensch gegen Maschine gestellt wird, sollten wir den interdisziplinären Ansatz Mensch und Maschine verfolgen!
Gute Literaturtipps gibt Sina Dörr in ihrem Beitrag auch: Daniel Kahneman, in seinen Büchern Thinking, Fast and Slow und Noise: A Flaw in Human Judgement, veranschaulicht die Denksysteme hinter solchen Verzerrungen. David Nink, in Justiz und Algorithmen, beschäftigt sich speziell mit Fragen zur Rechtsprechung und spricht von der Aktivierung der „rationalisierenden Selbstrechtfertigung der Selbsteinschätzung der Entscheidungstragenden“ als entscheidendem Faktor.
Es erscheint mir unumgänglich, solche Erkenntnisse in die Diskussion um den Einsatz neuer Technologien in der Justiz zu integrieren. Die interdisziplinäre Betrachtung von KI und menschlicher Entscheidungsfindung ist entscheidend, um eine ausgewogene und rational fundierte juristische Praxis zu fördern. Ein tiefergehendes Verständnis der zugrunde liegenden kognitiven Prozesse ist unerlässlich, um die Potenziale und Grenzen von KI in der Justiz angemessen zu bewerten. Dieser Perspektivenwechsel könnte dazu beitragen, einen ausgewogenen Ansatz für die digitale Transformation der Justiz zu entwickeln und so die Qualität der Entscheidungsprozesse nachhaltig zu verbessern.
Danke, Sina Dörr, für einen guten und mutigen Gedanken!
* https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7140981282213134336/
Schlagworte: Jura, Justiz, Justiz und KI, KI, Richter